Jeder, der sich mit Ethnologie/Sozialanthropologen beschäftigt, denkt zuerst an einen Stamm Eingeborene irgendw im Dickicht und an DEN Forscher, der im verschwitzten Hemd sich seinen Weg durch den Dschungel mit der Machete bahnt.

Dieses Bild hat schon längst ausgedient. Sicher, es gibt noch den einen oder anderen Sozialanthropolgen, der dieses Bild vekörpert. Aber schon seit der Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich diese romantische Vorstellung überholt.
Denn seit der Mitte des 20. Jahrhundert haben sich die Sozialanthropologen ein neues Feld erobert. Dass heißt, nicht erobert, sondern bestehende Felder revolutioniert. Wie zum Beispiel die Markt- und Motivforschung, die bis zu dem Zeitpunkt aus Zahlenkolonnen und demographischen Daten bestand.
Mit der Gründung des Social Research Incorporated im Jahr 1946 durch William Lloyd Warner, Burleigh Gardner und dem Psychologen William Henry begann man den Konsumenten als komplexen Menschen wahrzunehmen. Warner arbeitete bereits beim Hawthorne Projekt unter Elton Mayo mit.
Schon vor dessen Gründung, genauer: zwischen 1930 und 1934, hat Warner die Yankee City Studies erstellt. Damit begann man die Konsumenten in der Marktforschung in Klassen einzuteilen. Der Klassenbegriff in der Marktforschung war geboren. Heutzutage kommen Markt- und Sozialforscher dabei vielleicht zuerst die Sinus-Milieu-Studien in den Sinn, was auch nicht unbedingt falsch wäre.

Mit dem Klassenbegriff verbindet man eine Zugehörigkeit zu einer Klasse innerhalb der Gesellschaft. Mit der Klasse ändert sich auch das Konsumverhalten eines Menschen. Klasse und Konsumverhalten stehen also in einem direkten Zusammenhang. 

Das SRI etablierte erste Tiefenstudien zum Konsum. Und das quer durch die Palette der Konsumgüter.  In den nächsten 20 Jahren beeinflussten sie die nicht nur die Art und Weise der Marktforschung, sondern auch die Art und Weise der Werbung.

Sozialanthropologen schauen immer nach den Motiven und den Hintergründen und Zusammenhängen. Genau das hat das SRI getan. Wissenschaftliche Herangehensweisen brachten der Industrie damit direkte Vorteile durch Wissensvorsprung.

BIER!

Was hat Bier damit zu tun?

Bier zu trinken, ist eine Lebenseinstellung. Wer Wein trinkt, trinkt nicht in derselben Weise Bier. Whiskey ist für genießer, für einen besonderen Anlass. Dafür nimmt man sich Zeit. Wein und Whiskey geben ein anderes Setting als der Konsum des Bieres.

Bier kann man aus Flaschen trinken. Aber Wein und Whiskey? Ja, geht. Aber was sagt das über sie? Was sagen andere über Sie, wenn Sie das tun? Noch dazu bei einer halb-offiziellen Gelegenheit?

Für Bier brauchen Sie sich nicht umziehen. Das geht zu Not auch im Bademantel auf dem Balkon. Für Bier brauchen Sie kein Glas. Ihrem Chef brauchen Sie auch kein Gläschen Bier anzubieten. Die Flasche reicht. Und die Gespräche zwischen Ihnen und ihrem Chef oder ihren Vorgesetzten verlaufen anders, ungezwungener als mit einem 20jährigen Whiskey oder einem teurem Wein aus Südafrika.

Bier zu trinken hat eine soziale Bedeutung. Genau wie Whiskey oder Wein. Aber Bier hat einen „erdenden“ Effekt. Bier egalisiert Hierarchien. Wenn auch nur für einen kurzen Moment. Dementsprechend kann man Bier auch nicht als Getränk für Elitäre bewerben. Bier funktioniert wie es ist. Einfach. Und billig.
Whiskey und Wein sind komplizierter. Bei Whiskey und Wein fragt man direkt oder indirekt nach dem Preis, dem Wert. Oder man bekommt ihn direkt oder indirekt und ohne Vorwarnung gesagt.

Was noch?

Brand image.
Jeder Marketingexperte kennt diesen Begriff und benutzt ihn wahrscheinlich mehrmals am Tag. Das Image einer Marke ist heutzutage wichtig. Für das Unternehmen, aber auch für den Konsumenten. Für das Unternehmen heißt Image Umsatz und Reputation, für den Konsumenten Individualität, Status und  auch Effekthascherei um die eigene Person.

So verbindet man mit Tesla etwas anderes als mit VW oder mit Dacia. Auch ohne die Fahrer in diesen Autos zu kennen oder zu sehen, die Autos alleine erzeugen eine Erwartungshaltung gegenüber des Besitzers beim Betrachter.

Der Begriff brand image geht auf Burleigh Gardner und Sidney Levy zurück. Diese haben mit einer Vergleichsstudie von 18 Automarken nachgewiesen, dass der Cadillac der damaligen Zeit gerade bei den Neureichen als Traumauto angesehen war.  Es war die Luxuskarosse der Neureichen aus der lower-upper class, welche damit ihre soziale Herkunft kompensieren wollten.

Wäre es denkbar, dass „alteingesessene Reiche“ den Cadillac gekauft hätten? Vielleicht. Aber vielleicht auch nicht. Status ist in Klassengesellschaften wichtig. Vor allem ist es wichtig, sich nach unten abzugrenzen und nach oben zu streben. Dies haben die Neureichen mit dem Cadillac versucht. Haben sie aber damit den sozialen Sprung nach oben geschafft? Schwer denkbar. Jedenfalls ist es kaum denkbar, dass diese Neureichen nur auf Grund des Besitzes eines Cadillacs von den „alteingesessenen Reichen“ sofort akzeptiert wurden.

Wichtig ist aber die Erkenntnis, dass es den Wunsch des Konsumenten gibt, letztendlich sein Image durch Konsumgüter zu verändern. Oder zumindest die soziale Klassen zu kaschieren.

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