Kennnen Sie Surpreme?
Vielleicht nicht. Aber trösten Sie sich, ich kannte es bis eben auch nicht. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich weder Skater bin noch bestimmten Promis auf ihren SocialMedia-Kanälen folge. Und Sie tun das vielleicht auch nicht.
Supreme ist eines von vielen Beispielen, wie man sich nicht nur von seiner ursprünglichen Zielgruppe entfernen kann, sondern wie man es sich mit ihr versauen kann, weil man es in gewisser Weise übertreibt. Wobei Supreme nicht gewachsen ist – es ist ziemlich klein und exklusiv geblieben. Aber sie nutzten unter anderen die falschen ‚Testimonials‘. Unter Skatern ist die Marke jedenfalls durch. Gerade auch, weil um die Exklusivität ein solcher Hype gemacht wurde. Schließlich hat Supreme nur weniger lokale Stores und die Verfügbarkeit ihrer Ware ist sehr begrenzt.
Von Subkulturen zum Massenkonsum
Dass manche Produkte der Nische entwachsen und von allen Konsumenten gekauft werden, ist nichts Neues. Jedoch haben viele Marken und ihr Image gerade darunter gelitten, dass sie sich bewusst, gewollt und auch gezwungenermaßen der breiten Masse geöffnet haben.
Jack Wolfskin ist eines der Beispiele. Anfänglich nur für eine kleine Gruppe von Konsumenten interessant – eben nur für diejenigen, die ihre Freizeit gerne draußen verbrachten -, sieht man heutzutage Ehepaare im Jack-Wolkskin-Partnerlook herumlaufen. Und das in den Städten statt in der Natur. Also fernab der ersten Zielgruppe und der Bestimmung von Outdoor-Kleidung.
Eine ähnliche Entwicklung hat Rapha im Bereich der Radsportbekleidung erlebt. Rapha war und ist exklusiv allein durch den Preis und kultivierte ein ebenso exklusives Image. Mit der Zeit begeisterte die Marke auch abseits leistungsorientierter Amateure und fand Eingang in die Hippster-Szene. Jedenfalls für diejenigen, welche die urbane Mobilität vorrangig mit dem Rad (sehr gerne Fixies) bestritten. Da half es auch nicht, dass Rapha das Team Sky sponsorte.
Während zum Beispiel die Erwähnung der Marke Assos (eine andere Radsportbekleidungsmarke) in den deutschen Radsportforen oftmals der Satz „Er hat Jehova gesagt!“ hervoruft, wird Rapha mittlerweilerke als Hippster-Marke von den leistungsorientierten Radsportlern eher abgelehnt. Oftmals kommt da auch der Verweis auf die gesunkene Qualität, die anscheinend zwangsläufig mit dem Wachstum eines Unternehmens einherzugeben scheint.
Wir sehen hier jedenfalls zwei Dimensionen von Zielgruppen. Zum einen die Zielgruppe der Outdoor-Aktivisten, deren Kleidung von „Alltags-Bekleideten“ übernommen wurde. Zum anderen einen kleinen Teil einer Zielgruppe von einer etwas größeren Zielgruppe. Also Radfahrer innerhalb von Radfahrern. Beide betreiben ein- und denselben Sport, aber ein Teil möchte sich abheben vom Rest.
Was passiert eigentlich mit dem Image in den Augen der ursprünglichen Zielgruppe?
Kleidung bedeutet, sich zu etwas zu bekennen – zu einer Zugehörigkeit, zu einer Gruppe, einen Lebensstil nach außen zu tragen. Das trifft nicht nur auf Kleidung zu, sondern auch auf andere Gegenstände des Lebens. Nehmen wir einfach mal das IPhone oder, um beim Beispiel von oben zu bleiben, das Skateboard.
Mit all diesen Sachen werden auch Identitäten geschaffen. Und damit gleichzeitig Abgrenzungen. Es ist nämlich nicht so, dass Skater sich einander zugehörig fühlen, weil sie Skateboards fahren. NEIN: sie empfinden sich als „Gemeinschaft“, weil es die anderen eben NICHT tun. Das nennt man dann differenzlogische Unterscheidung.
Ähnlich ist es mit allen anderen Dingen. Eben auch mit IPhones und anderem. Früher (TM) waren Apple-Produkte ein Status- und Abgrenzungssymbol für die sogenannten Nerds. Heute hat es jeder (naja, fast).
Nun ist die Existenz des erlauchten Kreises, dem man glaubt anzugehören, in Frage gestellt, wenn man viele andere Menschen in denselben Klamotten herumrennen sieht. Diese Menschen haben sich die Kleidung gekauft, weil sie vielleicht auch dazu gehören wollen oder dasselbe Lebensgefühl haben und denselben Lebensstil in die Welt hinaustragen wollen. Aber wo bleibt da der Unterschied? Wo bleibt da die Abgrenzung, die unsere Identität ausmacht?Zu wem gehört man dann?
Es ist nicht so, dass die ursprüngliche Zielgruppe, die ersten Käufer (!!!) also, sich dieses Schicksal aussuchen. Sie werden durch den Hersteller damit konfrontiert, mit freundlicher Unterstützung alle Konsumenten. Niemand verbietet es dem Hersteller, die Sachen an x-beliebige Menschen zu verkaufen und niemand verbietet es den Kunden, diese Sachen zu kaufen. Das ist Marktwirtschaft.
Meistens ist es so, dass die Hersteller expandieren und wachsen wollen oder müssen. Und meist geschieht die nachdem ein Investor ins Unternehmen eingestiegen ist. Und der ist natürlich auf Rendite aus. Ab jetzt läuft dann also das Marekting auf Hochtouren, denn die Masse muss ja auch erreicht werden.
Mit dem Verkauf an die Masse ist irgendwann auch mal das ursprüngliche Image der Marke, das was die Marke in den Augen der ursprünglichen Zielgruppe erst interessant gemacht hat, so „verwaschen“, dass diese sich davon abwendet. Eben weil man sich nicht durch Kleidung oder ein Produkt abgrenzen kann, was jeder trägt oder besitzt.
Die Geschichte lehrt uns, dass Image und Wachstum einer Marke zusammenhängen. Je höher das Wachstum im Sinne von Abverkauf, desto dünner wird das Image bei der ursprünglichen Zielgruppe. Meist ist es so, dass das Unternehmen oder die Investoren zu schnell zu viel wollten. Jack Wolfskin und Rapha können hier wieder als Beispiele herhalten.
Und was macht die ursprünglicher Zielgruppe?
Ich verzichte bewusst auf solche Formulierung wie zum Beispiel early adopters usw., weil dies hier nicht rein passt, da es sich bei den meisten Sachen nicht um technische Neuerungen handelt. Aber in gewisser Weise kann man die ursprüngliche Zielgruppe so bezeichnen.
Richtig interessant wird es doch jedoch erst jetzt. Denn die Karawane zieht weiter, wie man so schon sagt. In die Presche springen nun andere Marken, die von der Zielgruppe gerne angenommen werden, weil sie sich damit wieder ein Alleinstellungsmerkmal geben können.
Wir können also festhalten, dass es nichts ungewöhnliches ist, wenn die ursprüngliche, aber kleine Zielgruppe sich vom Unternehmen und den Produkten abwendet, nachdem sie selbst das Image des Unternehmens und dessen Produkte mit aufgebaut hat, und sich Neuem zuwendet.
Nachdem Apple jeden potentiellen Kunden erreicht hat, weil es unter anderem die Marketingmaschine anwarf, nachdem Jack Wolfskin auch schon wieder Filialen schließen musste und nachdem Rapha Investoren und Kooperationen für ein noch schnelleres Wachstum gefunden hat, stehen Linux, VAUDE und Café du Cyclist.
Es müssen nicht diese, oben genannten Alternativen sein. Schließlich ist der Markt voll von Alternativen. Aber es ist interessant zu sehen, was die anderen machen, die letztendlich die Lücke schließen, um ihr Image zu erhalten und wie die ursprüngliche Zielgruppe dann wieder darauf reagiert, wenn diese Alternativen wachsen und der große Abverkauf beginnt.
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